Das Ende des Wandeldarlehens

In der US-amerikanischen StartUp Szene werden mal wieder Wandeldarlehen heiß diskutiert. Ich empfehle den exzellenten Beitrag von Manu Kumar (K9 Ventures), Thoughts on Convertible Notes. Danach seien Gründer besser beraten, Eigenkapital Investments denen mittels Wandeldarlehen vorzuziehen. Es spricht aber auch aus Investorensicht einiges dafür, auf Wandeldarlehen zu verzichten.

Gründer suchen Geld, Investoren haben es. In der Regel wird der Investor Eigenkapital bieten, er wird also Anteile im Gegenzug für sein Investment verlangen. Alternativ verzichtet der Investor auf Anteile und gibt das Geld als Darlehen in das StartUp (für weitere Informationen zu Darlehen im StartUp siehe Checklist Gesellschafterdarlehen). Er behält sich dabei das Recht vor, zu einem späteren Zeitpunkt statt der Rückzahlung des Darlehens Anteile zu erhalten. Mit anderen Worten wandelt er dann das Darlehen in Anteile.

Wandeldarlehen beim Einstieg eines Investors

Ein Wandeldarlehen kann bereits beim Einstieg des Investors gegeben werden, allerdings stellte dies bisher die Ausnahme dar. Manu weist nun darauf hin, dass immer mehr frühphasige Investoren bereits ihren Einstieg über Wandeldarlehen regeln.

In Deutschland dürfte der Hauptanwendungsfall von Wandeldarlehen im Zeitpunkt des Investoreneinstiegs das Modell des High-Tech Gründerfonds (HTGF) sein. Der HTGF bedient sich dabei einer Mischform. Die Investoren erhalten Eigenkapital zu nominal und geben darüber hinaus ein Wandeldarlehen, welches bei jeder anschließenden Finanzierungsrunde zum Schutz gegen Verwässerung genutzt werden kann.

Bsp.: Der HTGF erhält beim Einstieg 15 Prozent der Anteile. In der anschließenden Finanzierungsrunde gibt ein weiterer Investor EUR 1.000.000 auf einer EUR 4.000.000 Pre-Money Bewertung. Mithin wird der weitere Investor nach der Finanzierungsrunde 20 Prozent am StartUp halten. Demzufolge müsste der HTGF ebenso wie die Gründer um 20 Prozent verwässern. Dagegen kann er sich jedoch durch Wandlung des Darlehens schützen und hält seine Beteiligung von 15 Prozent, sofern ausreichend Darlehensvaluta und Zinsen als Wandlungsmasse bereit stehen.

Wandeldarlehen als Brückendarlehen

Klassischerweise kommen Wandeldarlehen nach dem Einstieg, insbesondere zur kurzfristigen Überbrückung bspw. bis zur nächsten (Eigenkapital-)Finanzierungsrunde zum Einsatz. In einem solchen Szenario liegt nach Manu der Ursprung des Wandeldarlehens.

Heute findet sich ein wesentlich größerer, eher ausufernder Anwendungsbereich von Wandeldarlehen. Ein Blick auf die Vorteile erklärt, warum Investoren Wandeldarlehen bevorzugen:

  • geringere Transaktionskosten gegenüber Eigenkapitalrunden
  • schnellere Umsetzung mit Rücksicht auf die Gremien des StartUps
  • je nach Ausgestaltung keine notarielle Beurkundung erforderlich
  • ein Darlehen muss nicht bewertet werden. Die Gesellschafter sparen sich also die Bewertungsdiskussion.
  • attraktive Konditionen.

Bereits der letzte Punkt lässt Gründer hellhörig werden. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle ein letztes Mal klarstellen, dass Wandeldarlehen in Ausnahmefällen durchaus ihre Berechtigung haben. Sie sollten aber grundsätzlich vermieden werden.

Gründer fahren besser mit Eigenkapital Investments

Was ist an Wandeldarlehen auszusetzen?

  • Wandeldarlehen sehen in der Regel Bewertungsdiscounts (z.B. 10 bis 20 Prozent) auf Anschlussrunden vor. Agio oder Disagio finden sich auch häufiger als in anderen Darlehen.
  • es entsteht in der angestrebten Finanzierungsrunde ein Zielkonflikt. Während die Gründer eine möglichst hohe Bewertung erzielen wollen, will der Investor seine Wandlungsmasse möglichst optimal einsetzen. Optimieren bedeutet aus Investorensicht, eine möglichst geringe Bewertung zu realisieren (hierzu werden auch andere Auffassungen vertreten).
  • das Darlehen setzt sich bei einem Exit an die Spitze jeder Erlösverteilung und geht selbst einer Liquidationspräferenz vor.
  • das Darlehen sieht ein Wandlungsrecht und keine -pflicht vor. Wandelt ein Investor nicht wie ursprünglich geplant zu einem gewissen Zeitpunkt, hat er das StartUp unter Umständen in der Hand, wenn das Darlehen fällig wird. Es kann also zu bösen Überraschungen kommen, wenn die Gründer erwarten, dass der Investor wandelt, dieser aber andere Pläne hat. Es kann entweder dazu kommen, dass der Investor sein Darlehen bei Fälligkeit zurückfordert oder dass der Investor mit dem Darlehen Druck ausübt und zu noch günstigeren Konditionen die Wandlung herbeiführt als im Darlehensvertrag ursprünglich vorgesehen war.

Beispielsrechnung

Das StartUp schloss eine erste Finanzierungsrunde über EUR 600.000 auf einer EUR 1.500.000 Pre-Money Bewertung mit Investor A ab. Es ergibt sich das nachstehende CapTable.

 

Nun gilt es, eine Finanzierungslücke über EUR 200.000 bis zum Abschluss der nächsten Finanzierungsrunde zu decken. Es wird voraussichtlich in drei Monaten zum Closing kommen. Investor A gibt den Betrag als Wandeldarlehen mit einem 20 prozentigen Wandlungsdiscount auf die nächste Finanzierungsrunde.

Im Anschluss kommt es zur einer Finanzierungsrunde mit Investor B. Investor B investiert EUR 1.000.000 auf einer EUR 3.000.000 Pre-Money Bewertung. Investor A kündigt an, auf dieser Bewertung das Wandeldarlehen mit Discount zu wandeln. Es ergibt sich das nachstehende CapTable.

Anmerkung: In der Regel werden die Gesellschafter bei der Darlehenswandlung die umständliche Sachkapitalerhöhung vermeiden wollen. Daher wir das Darlehen nur auf das Aufgeld angerechnet und das Stammkapital neu in bar eingezahlt.

Alle Gesellschafter fahren besser mit Eigenkapital Investments

Letztlich fahren alle Gesellschafter mit Eigenkapital besser. Für die Gründer ergibt sich dies aus den vorstehenden Erwägungen. Im Übrigen mögen sich auch Investoren vor Augen führen, dass die attraktiven Konditionen des Wandeldarlehens in der Anschlussrunde von dem neuen Investor durchaus beiseite gefegt werden können. Ebenso wie bei den Gründern keine Gewissheit besteht, dass der Investor wandelt, besteht also auch für den Investor keine Gewissheit, dass er sein Wandlungsrecht bei Hinzutreten des neuen Investors zu den attraktiven Konditionen durchsetzen kann; ganz zu schweigen von der Diskussion darüber, ob die Anteile aus diesem gewandelten Geld die gleichen Rechte wie das frische Geld des neuen Investors erhalten. Ganz nebenbei können sich auch erhebliche steuerlicher Folgen aus der Wandlung zu einem Discount ergeben.

Insgesamt steigern Wandeldarlehen die Komplexität von Anschlussfinanzierungen. Sie verlagern aktuelle Probleme, insbesondere die Bewertungsdiskussion lediglich in die Zukunft. Es entsteht ein völlig intransparenter Prozess. Der Kostenvorteil des Wandeldarlehens wird spätestens jetzt in endlosen Anwaltsrunden aufgefressen.

Macht dem Wandeldarlehen ein Ende!

Wenn Ihr könnt. 🙂

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  • Und als Bridge – immer noch Mist?Ausserdem würde interessieren, ob Angelsächsisches Recht sich da ähnlich oder anders verhält. 

  • Ich will mich bezüglich des angelsächsischen Rechts nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Meines Erachtens ist die Technik des Wandeldarlehens nicht wesentlich anders. Es ergeben sich jedoch aus dem zitierten Artikel von K9 Ventures eine Reihe von Instrumenten, die Gründer zu ihrem Schutz im angelsächsischen Recht hineinverhandeln, die hier schlicht unüblich und nicht durchsetzbar sind. Dies dürfte mit der verhältnismäßig schwachen Position der Gründer im deutschen Markt zusammenhängen. Theoretisch sind aber auch diese Instrumente wie z.B. Caps auf den deutschen Markt übertragbar.

    Brückendarlehen sind nicht immer Mist. Sie sollten jedoch kurz laufen und möglichst ohne Discounts auskommen. Zu häufig werden mit Brückendarlehen interne Eigenkapitalrunden umgangen, nur weil sich Gründer und Investoren nicht auf eine Bewertung einigen können oder schlicht nicht festlegen wollen, wenn zeitnah externes Kapital aufgenommen werden soll.

  • Anonymous

    Richtiger Hinweis. Die Probleme kommen in der Folgerunde, wenn man neben der aktuellen auch die alte Runde nochmal “mitdiskutieren” muss. Im schlimmsten Fall schrecken die Konditionen ab. Und der fast zwingende Interessenkonflikt gerade auch zwischen neuen und alten Investoren kann sehr störend sein. 

  • Daniel Höpfner

    Interessante Darstellung und gute Zahlen – Danke!
    Meine 2cents, um eine Lanze für das Wandeldarlehen zu brechen: Gerade am Anfang eines Startups, wenn am Prototypen noch gearbeitet wird, die ersten Interessenten vor der Tür stehen und man mit den ersten 250.000 Euro richtig durchstarten will – bietet das Wandeldarlehen die Möglichkeit auf die Bewertungsdiskussion zu verzichten. Dadurch können Startups schnell und ohne langwieriges Verhandeln mit dem VC/BA Geld erhalten um Produkt und Marktstart zu ermöglichen. Denn um eine Basis für eine Bewertung zu haben, benötigt das Startup eine 3-4 Jahresvorschau mit den ganzen notwendigen Annahmen eines vollumfänglichen Businessplans: Vertriebsplanung, Kalkulation von CAC, Marketingplanung, Marktübersicht, Marktgrösse – um die ganzen Fragen gut beantworten zu können. Meist wird im ersten Schritt am Produkt gearbeitet, dann am Vertrieb-/Marketingstrategien und dies nur verbal darzulegen reicht nicht aus. 
    Soll heissen, “echte” Beteiligung -> Bplan -> Vertriebs-,Marketing-, Wettbewerbsanalyse…..
    Wandeldarlehen “falsche” oder spätere Beteiligung -> es kann schnell Geld fliessen und die komplexen Arbeiten bzgl Bplanung werden step-by-step realisiert mit Fokus auf die Series-A. 

    Nur mal so als Gedanke
    Daniel