Vetorechte – worauf sich Gründer einstellen sollten

Ich war in der letzten Woche auf einer exzellenten Fortbildung der EVCA (European Private Equity and Venture Capital Association). Bisher das Beste, das ich an VC Fortbildungen mitgemacht habe – kann ich meinen Kollegen aus der VC Industrie uneingeschränkt empfehlen. Währenddessen führte ich diverse Diskussionen mit Gründer daheim über das Für und Wider von Vetorechten zugunsten von VCs. Dies überraschte mich doch sehr, da langwierige Diskussionen über Industry Standards von unerfahrenen Gründern zeugen.

VCs verstehen

Es ist grundsätzlich keine Bildungslücke, nicht zu wissen, wie VCs ticken. Aber Gründer, die Geld einsammeln wollen, sollten sich zumindest mit den Grundzügen vertraut machen. Dazu gehört zunächst, die Website des adressierten Investors zu besuchen. Etwas abstrakter empfehle ich, sich mit den Industry Standards der EVCA vertraut zu machen. Gründer können auf diese Weise

  • Basiswissen sammeln
  • die Vorgehensweise des VCs gegen die Industry Standards benchmarken
  • Argumentationshilfe bei der Verhandlung von Deal Terms finden.

Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Website der NVCA (National Venture Capital Association), quasi dem US-amerikanischen Pendant der EVCA. Hervorzuheben sind an dieser Stelle z.B. die Musterverträge. Gründer können sich mit dem Horrorkabinett der VCs im Detail vertraut machen. Doch Vorsicht: Sich den Vertragsthemen auf diese Weise zu nähern ist eine Sache. Eine andere ist es, diese Vorlagen im deutschen Markt zu verwenden. Sie passen schlicht nicht. Gleichwohl gibt es z.B. Business Angels in Deutschland, die auf diese Musterverträge zurückgreifen. Dies ist alles andere als ein Qualitätsmerkmal und an der falschen Ecke gespart.

Vetorechte

Zurück zum Thema: VCs und Vetorechte. VCs sind zuallererst Gesellschafter wie jeder andere auch. Wir wollen informiert werden. Wir wollen in wesentliche Entscheidungen einbezogen werden.

Ferner gilt noch immer der alte Grundsatz, dass sich der ROI umgekehrt proportional zum “Betreuungsaufwand” des VCs entwickelt. Der Satz lässt sich auf zwei Arten lesen. Großartige Gründerteams benötigen den geringsten VC Input und bauen erfolgreiche Unternehmen auf. Oder: Bisher haben VCs noch jedes Investment erfolgreich zerwaltet. Wer die zweite Auffassung vertritt, sollte möglicherweise kein VC Geld aufnehmen. Sie ist, dies ist an dieser Stelle wohl kaum überraschend, auch unzutreffend. VCs haben schlicht Besseres zu tun, als tiefgreifende Veränderungen an erfolgreichen Unternehmen vorzunehmen. If it ain’t broke don’t fix it. Wir sehen es vielmehr als eine Form der Risikominimierung, als VCs für Know-how Transfer auf die Gründer zu sorgen, den Gründern Mentoren zu sein oder über das Netzwerk weitergehenden Support zu liefern.

Ebenso gehört zur Risikominimierung eines VCs, dass er auf Vetorechte besteht. Sie flankieren allgemeine Informations- und Mitbestimmungsrechte. Die EVCA empfiehlt dabei folgende Anwendungsbereiche für Vetorechte:

  • wesentliche Geschäftsentwicklungen (z.B. Investitionsvorhaben, Kapitalerhöhungen)
  • Änderungen der Finanzierungsstruktur
  • Changes of Control, An- und Verkauf von Geschäftsanteilen der Gesellschaft durch Gesellschafter
  • Aufstellen eines neuen Business Plans
  • Auswechslung von Schlüsselpersonen der Gesellschaft oder Änderungen ihrer Bezüge
  • wesentliche Änderungen des Geschäftsbetriebs.

Dies klingt einerseits unangenehm. Andererseits dürften transparent agierende Gründer ohnehin bei derartig wesentlichen Fragen die Zustimmung ihrer Gesellschafter suchen, ob sie dazu nun verpflichtet sind oder nicht.

Außerdem nimmt die Praxis Vetorechten den Schrecken. Häufig sehen die vertraglichen Regelungen vor, dass die Investoren in Textform über die vorgenannten Regelungsgegenstände zu informieren sind. Sofern sie binnen – beispielsweise – zehn Tagen nicht widersprechen, gilt das Schweigen als Zustimmung und die Gründer können wie geplant fortfahren. In der Praxis rufen Gründer den VC an. Man stimmt sich kurz telefonisch ab. Häufig muss dann eher noch den Gründern zur eigenen Absicherung geraten werden, in Textform festzuhalten, dass der VC sein Vetorecht nicht ausübt. Ich kenne darüber hinaus keinen Fall aus der Praxis, in dem tatsächlich einmal von Vetorechten Gebrauch gemacht wurde.

Dennoch sind Vetorechte in den vorgenannten Grundzügen Industry Standards. Es besteht grundsätzlich keine Aussicht auf Erfolg, Vetorechte weg zu verhandeln. Unverhoffte Hilfe könnten Gründer jedoch von den deutschen Regelungen über die Fusionskontrolle bekommen. Sollten zu den Gesellschafter, insbesondere Investoren zwei oder mehr Branchenschwergewichte gehören, könnte es ausnahmsweise mal im Interesse dieser Schwergewichte sein, nur eingeschränkte Vetorechte zu erhalten. Einzelheiten zur Fusionskontrolle habe ich hier zusammengefasst.

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  • Hallo Christian, vielen herzlichen Dank für die positive Kritik des EVCA Trainings, sowie die Referenz bezüglich der EVCA Professional Standards! Vielen Dank!

    Herzliche Grüsse
    Georges Noël, EVCA, Director
    VC Platform + Global Investor Relations

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  • Hallo Christian,
    Für meine Master-Arbeit (Veto-Rechte in VC-Verträgen) bin ich auf der Suche nach Musterverträgen und allgemeiner Guidance bezüglich Veto-Rechte – leider ist der Beitrag nicht mehr ausreichend verlinkt: Hast Du zufällig grad was zur Hand?

    Ich plane auch noch Experten-Interviews: Wo gibt/gab es Probleme mit Veto-Rechten in Startups und welche Konsequenzen muss man für künftige Verträge ziehen?

    Wäre super, wenn Du mir hier weiterhelfen könntest.
    Beste Grüsse
    Fabian

  • musfeldt

    Übergreifende Muster und Standards sind in Deutschland leider nicht vorhanden. Du könntest Dich an dem Vertragswerk des HTGF orientieren. Die haben für sich ein Standardvertragswerk. Aufgrund der Vielzahl der Investments, die der HTGF mit diesen Dokumenten macht, könnten diese für sich einen gewissen Marktstandard setzen.